Dienstag, 4. März 2014

Basler Pädophiler auf der Flucht von RTL interviewt

Während die Basler Polizei seit drei Wochen erfolglos nach dem flüchtigen Pädophilen Christoph Egger fahndet, gab dieser ein Interview mit dem deutschen Fernsehsender RTL. Wie das?

Seit dem 12. Februar ist der pädophil veranlagte Christoph Egger auf der Flucht. Von einem unbegleiteten Ausgang im Areal der Klinik ist der zu einer stationären Massnahme verurteilte Basler nicht mehr zurückgekehrt. Wie Klinikdirektor Marc Graf von der Forensisch-Psychiatrischen Klinik sagt, sei die Basler Polizei umgehend orientiert worden. Aber erst gestern, knapp drei Wochen später, macht diese die Flucht publik und sucht «Fahndungshilfe» von der Bevölkerung.

So konnte der Gesuchte am vergangenen Freitag einen ganzen Tag lang unbehelligt im Wenkenhof in Riehen dem deutschen Fernsehsender RTL vor der Kamera Auskunft geben, wie es zu seinem Entscheid gekommen ist, sich mit dem Medikament Lucrin chemisch kastrieren zu lassen, um seinen pädophilen Trieb zu dämpfen. Und der 47-Jährige konnte dem Sender erzählen, dass er seine Neigung unterdrücke, wenn nicht sogar im Griff habe. In den Medien kritisierten Egger und sein Vertrauensmann, Justizkritiker und Publizist Peter Zihlmann, schon mehrfach, dass Eggers wiederholte Therapie in der Basler Klinik nutzlos sei, weil er als «austherapiert» gelte. Der Beitrag mit den beiden wurde gestern Abend in der Sendung «RTL Extra» mit Birgit Schrowange ausgestrahlt.

Fehlende Anzeichen
Auf die Frage, weshalb das Justiz- und Sicherheitsdepartement (JSD) knapp drei Wochen zuwartete, bis man über die Flucht informierte, sagt JSD-Sprecher Andreas Knuchel: «Christoph Egger hat über die Anwälte Kontakt mit dem Strafvollzug aufgenommen. Als wir keine Anzeichen hatten, dass er zurückkehren würde, haben wir die Fahndung öffentlich gemacht.»

Wie gefährlich ist Christoph Egger auf der Flucht? Um eine Antwort drücken sich nun die Fachpersonen: «Die aktuelle Gefährlichkeit einzuschätzen, wäre rein spekulativ. Daher machen wir keine Aussagen dazu», sagt Knuchel. Auch Graf will sich dazu nicht äussern. Dass die Polizei die Flucht nun kommuniziert habe, sei eine Frage der Verhältnismässigkeit gewesen, ergänzt der Polizeisprecher: Egger habe keine medikamentöse Therapie mehr, die Wirkung der Medikamente lasse sukzessive nach. Weil Egger bereits an die Öffentlichkeit gelangt ist, kenne man ihn in der Öffentlichkeit. Das erhöhe die Chancen der Fahnder.

Eggers Triebe dürften auch ohne ärztliche Behandlung über die nächsten Wochen gedämpft bleiben. Lucrin werde nur alle drei Monate mit einer Depotspritze verabreicht, der Testosteron-Spiegel sei auch danach noch «unter Kastrationsniveau», beruhigt Marc Graf. Allerdings sage dies nichts aus über seine Bedürfnisse nach Zärtlichkeit. Sicher sei auch, dass mit der Flucht Stress und Angst verbunden seien, was unter Umständen zu einem grösseren Anlehnungsbedürfnis führe.

Verlaufsbericht als Auslöser
Über die Gründe, die zur Flucht geführt haben könnten, gibt der Klinikdirektor keine Auskunft. Dabei ist hinlänglich bekannt, dass Egger die monatlich 30 000 Franken teure Therapie in Basel als nutzlos kritisiert. Er zeichne nur Mandalas, er fühle sich unterfordert, während seine Arbeitsstelle verloren gegangen sei und er seine Wohnung verliere. Strukturen, die er sich in den letzten vier delinquenzlosen Jahren aufgebaut habe, würden zusammenbrechen.

Für Justizkritiker Peter Zihlmann, der gelegentlich mit Egger in Kontakt steht, ist der Fall sonnenklar: «Er ist wegen Perspektivlosigkeit geflohen.» Ausgelöst worden sei dies durch den Verlaufsbericht vom 7. Februar. In diesem Bericht, der der BaZ vorliegt, attestiert die UPK Egger, dass er sich dem stationären Alltag «gut angepasst» habe, dass aggressive Impulse körperlicher und verbaler Art «zu keinem Zeitpunkt» zu beobachten waren, dass er seine pädophile Veranlagung «realistisch einschätzen» könne und dass er seine Medikation «komplikationslos akzeptiert» habe.

Psychisch destabilisiert
Die Ärzte notieren hingegen, dass Egger Kontakte zu Journalisten pflege, und bemängeln, dass er die «therapeutische Erreichbarkeit» infrage stelle. Mit anderen Worten: Egger lässt die Ärzte spüren, das er ihr Setting für nutzlos halte. Die Folgerungen im Bericht, die nicht näher begründet werden, sind zu oben beschriebenen Einschätzungen widersprüchlich und dürften wie ein Dampfhammer auf den Mann gewirkt haben: bisherige Kriminal-Entwicklung: ungünstig; soziale Kompetenz: ungünstig; Einsicht des Täters in seine Krankheit: ungünstig, und so weiter.

Für Zihlmann ist klar: «Die haben ihn psychisch destabilisiert.» Egger habe, wie ihm bei Eintritt in die Klinik versprochen worden sei, auf ein externes Wohnen und Arbeiten gehofft. Das sei in weite Ferne gerückt.

Marc Graf teilt diese Darstellung nicht, man habe konsequent darauf hingearbeitet, dass Egger spätestens im Herbst ein Wohn- und Arbeitsexternat hätte antreten können. Werde der Mann gefasst oder werde er sich stellen, müsse man an einem neuen Punkt beginnen. Inzwischen habe man festgestellt, dass die Therapie in Basel nicht funktioniere, weshalb man auch in Erwägung ziehe, eine andere forensische Klinik mit dem Fall Egger zu beauftragen.

Der vor über 15 Jahren wegen Kinderschändung verurteilte Christoph Egger ist vor rund vier Jahren beim Cybersex vor dem Computer erwischt worden. Die Basler Staatsanwaltschaft hat eine «stationäre Massnahme», verlangt, die Egger im Oktober antrat. (Basler Zeitung)
Erstellt: 04.03.2014, 10:01 Uhr

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