MÜNSTER/BERLIN - Der Umgang von Jugendämtern mit misshandelten
Kindern hat einen Expertenstreit ausgelöst. Professor Joachim Merchel
von der Fachhochschule Münster verteidigte die Behörden in einem
Interview von "Deutschlandradio Kultur" gegen die Kritik zweier
Rechtsmediziner. Ein führender Berliner CDU-Politiker forderte einen
"Elternführerschein" und verpflichtende Erziehungskurse für Mütter und
Väter. In der SPD stieß der Vorstoß auf Kritik.
Der Professor für Organisation und Management in der Sozialen Arbeit
wies am Samstag darauf hin, dass die Jugendämter ihr Personal zwischen
2006 und 2009 um 19 Prozent aufgestockt hätten - trotz häufig
angespannter Haushaltlage der Kommunen. "Insofern kann man schon sehen,
dass die Jugendämter sich auch bemühen, den gestiegenen Anforderungen
Rechnung zu tragen", sagte Merchel. "Das ist häufig noch nicht genug, da
muss noch mehr passieren. Aber man kann schon sehen, dass die
Jugendämter hier nicht inaktiv sind."
"Gibt immer wieder Fälle, in denen Kindern zu spät geholfen wird"
Eine Dunkelziffer von 200.000 Kindesmisshandlungen bezeichnete der
Sozialexperte als übertrieben. Trotz guter Arbeit der Jugendämter müsse
man jedoch damit leben, "dass es auch immer wieder Fälle gibt, in denen
Kindern zu spät geholfen" werde, sagte Merchel.
In ihrem Buch "Deutschland misshandelt seine Kinder" werfen die Berliner
Rechtsmediziner Michael Tsokos und Saskia Guddat dem deutschen
Hilfesystem "regelmäßiges Versagen" vor. Pro Woche stürben in
Deutschland drei Kinder als Folge von Misshandlung. Kritiker halten das
Buch indes für populistisch, pauschal und praxisfern.
CDU-Politiker fordert "Elternführerschein"
Der Berliner CDU-Generalsekretär Kai Wegner verlangte einen
"Elternführerschein". In der Zeitung "B.Z." sagte Wegner:
"Kindesmisshandlungen sind in aller Regel nicht Ausdruck "sadistischer
Neigungen", sondern die Folge einer Überforderung der Eltern." Deshalb
könnten verpflichtende Erziehungskurse helfen, werdende Eltern besser
auf ihre neuen Aufgaben vorzubereiten.
Mögliche Probleme könnten auch bei Vorsorgeuntersuchungen angesprochen
werden, schlug der CDU-Bundestagsabgeordnete Wegner vor. "Wir brauchen
eine engere Vernetzung und Zusammenarbeit von Jugendämtern,
Sozialarbeitern, Kinderärzten, Kitas, Schulen, Gerichtsmedizinern und
Polizei." Der SPD-Abgeordnete Björn Eggert lehnte den Vorstoß ab: "Ein
Elternführerschein würde die Akzeptanz der Vorsorgeuntersuchungen
verringern. Das muss freiwillig bleiben", sagte Eggert der Zeitung.
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